Borreliose – eine potentiell heimtückische Erkrankung
1. Allgemeines
Borreliose wird hauptsächlich durch Zeckenstiche übertragen. Neuere
Untersuchungen ergaben kürzlich, dass in Deutschland auch 10 verschiedene
Arten von Stechmücken mit Borrelien infiziert sein können. Dies
erweitert das Spektrum der Übertragungsrisiken.
Genaue Informationen über die Zahl von Neuinfektionen gibt es in Deutschland
nicht. Die Experten sind sich einig, dass de Häufigkeit chronischer
Infektionen zunimmt.
Folgen einer Infektion können sein:
1. Eine akute, durch Bakterien ausgelöste Infektionskrankheit.
Symptome der Früherkrankung: in den ersten 3 Wochen
nach dem Stich:
- ringförmige Rötung um die Stichstelle (sog. Erythema chronicum
migrans)
- Fieberhafte grippeähnliche Erkrankung
- Lymphozytom (eine bläulich-rötliche Schwellung häufig
am Ohrläppchen oder anderen Stellen, an denen die Hauttemperatur
etwas niedriger ist.)
Wenn die Erkrankung rechtzeitig (das heißt in den ersten 2 - 3
Wochen nach Infektion) erkannt wird, ist sie mit Antibiotika zu fast 100%
ohne weitere Folgen heilbar.
2. Eine chronische Erkrankung, bei der auch Bakterien beteiligt sind.
In diesem Fall handelt es sich fast immer um eine chronische Multisystemerkrankung,
bei der meist zusätzlich weitere Belastungen vorhanden sind.
Symptome im Spätstadium: nach Monaten, Jahren oder
Jahrzehnten:
Vielfältige Symptome!! Die Borreliose ist ein Chamäleon!
- Häufig Gelenkentzündungen, Muskelschmerzen wechselnder Lokalisation,
Herzprobleme, Nervenentzündungen, Lähmungen, psychische Symptome,
Hautveränderungen (bläuliche Verfärbung, sogenannte Akrodermatitis
atrophicans), Bauchbeschwerden (Schmerzen, Blähungen, Durchfall),
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, chronische Müdigkeit
usw.
- Zu den Symptomen der chronischen Borreliose ist in der Praxis ein
Fragebogen erhältlich
Viele dieser Symptome sind allerdings nicht spezifisch für Borreliose,
sondern können auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Deshalb ist
eine genaue Differenzialdiagnose wichtig.
Erkrankungen und Diagnosen, bei denen man immer auf Borreliose untersuchen
sollte, sind:
Fibromyalgie, chronische Polyarthritis, chronisches Müdigkeitssyndrom,
Depression, Multiple Sklerose, Parkinson-Syndrom, Schlaganfall, Gesichtsnervlähmung,
chronische Nervenentzündungen, Karpaltunnelsyndrom, chronischer Kopfschmerz,
Polyneuropathie, Migräne, Herzrhythmusstörungen.
Borreliose kann auch zusätzlich zu den genannten Erkrankungen vorliegen!
Potentiell heimtückisch ist die Krankheit nur, wenn Sie
nicht oder nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird!
Die Borrelien können sich nach der Infektion im Körper in Bindegewebs-
und Nervenzellen zurückziehen, dort schlummern und erst nach Jahren
oder Jahrzehnten Probleme bereiten. Dies erklärt, warum man sich
nach Jahren bei Auftreten von Beschwerden eventuell gar nicht mehr an
einen Zeckenstich erinnern kann.
Wichtig: Die Symptome der Früherkrankung können
sich auf eine vorbestehende, eventuell symptomarme chronische Borreliose
aufpfropfen!
2. Diagnose
- Wichtig ist: dran denken!
- Nach einem Zeckenstich: Zecke fachgerecht entfernen (am besten
mit einer Zeckenschlinge). Dann das Tier in einem Röhrchen aufbewahren,
binnen 2 Tagen in die Praxis bringen und in einem Speziallabor auf Borrelienbefall
untersuchen lassen. Wenn die Zecke mit Borrelien infiziert ist, erfolgt
in 50% der Fälle auch eine Übertragung auf den Menschen. Das
heißt nicht, dass der Mensch dann auch erkranken muss!
In dieser Situation empfehle ich aber eine vorbeugende antibiotische
Therapie (zum Beispiel mit Doxycyclin über 10 Tage). Ohne Testung
ist nach einem Zeckenstich keine prophylaktische Therapie sinnvoll.
- Bluttests:
Hier beginnen die Probleme: die üblichen Antikörpertests
einschließlich Westernblot-Test sind bei einem großen
Teil der Erkrankten nicht aussagekräftig.
Nach einer akuten Infektion zeigen die Antikörpertests frühestens
nach 3 - 4 Wochen einen positiven Befund.
Bei chronischer Infektion beweisen sie Im günstigsten Fall einen
früheren Kontakt mit Borrelien, im ungünstigsten Fall (bei
bis 30 % der Betroffenen!) zeigen sie gar nichts an (seronegative Borreliose)!
Der momentan genaueste Test ist der LTT (Lymphozytentransformationstest).
Er zeigt die aktuelle Immunreaktion des Körpers auf lebende Borrelien
an. Bei diesem Test kommt es in einem kleinen Prozentsatz zu falsch
negativen Befunden (d.h. es liegt eine Infektion vor, der Test zeigt
es aber nicht an). Wenn der Test positiv ist, sind aber eindeutig Borrelien
im Körper. Der Test braucht 2 Wochen, bis ein Ergebnis vorliegt.
Bei einer akuten Infektion kann auch der LTT negativ sein.
- Nachweis der DNA der Erreger aus Gelenk- oder Nervenwasser:
ist der genaueste Test.
- Vorliegen eindeutiger Symptome: gilt für Erythema chronicum
migrans, Acrodermatitis und Lymphozytom.
3. Therapie
- möglichst rasche Entfernung der Zecke nach einem Stich
- B. in den ersten 6 Wochen bei Auftreten von Erythema oder Fieber:
Bluttest (vorzugsweise LTT, um eine vorbestehende chronische Infektion
auszuschließen), dann sofort antibiotische Therapie für mindestens
4 Wochen (wir erreichen bei echter Früherkrankung (!) zuverlässig
Heilungsraten von über 90%.
Wichtig sind:
- Blutspiegelkontrolle bei Doxycyclin- bzw. Minocyclintherapie
- Verabreichung von Probiotika vom ersten Therapietag an
- Regelmäßige Laborkontrollen, um Nebenwirkungen auszuschließen
- Laborgestützte und -kontrollierte Verabreichung von Mikronährstoffen
bei Bedarf
- Bei Diagnose nach Ablauf von 6 Wochen immer langfristige multimodale
Therapie (siehe separates Informationsblatt)
- 6 Wochen nach der Therapie kann man mit dem LTT feststellen, ob die
Borrelien ausgemerzt wurden.
4. Zum Schluss
- Nach jedem Zeckenstich ist 4 Wochen lang auf das Auftreten verdächtiger
Symptome einer Frühinfektion zu achten, ferner 12 Monate lang auf
Gelenkschmerzen und sonstige unklare Symptome.
- Bei auf ein Spätstadium verdächtigen Symptomen ist konsequente
Diagnostik und ggf. Therapie erforderlich.
- Nach erfolgreicher Therapie einer chronischen Borreliose ist langfristig
auf ein Wiederauftreten von Symptomen zu achten.
- Da die Zecken nicht nur Borrelien übertragen können, sondern
leider auch eine ganze Reihe anderer Erreger (zum Beispiel Ehrlichien,
Chlamydien, Rickettsien, Babesien usw.), sind im Verdachtsfall auch
diesbezüglich gezielte Tests erforderlich.
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